VOMAG Geschichte

Was sich hinter den fünf Buchstaben „VOMAG“ verbirgt, kann heute Land auf, Land ab kaum noch einer deuten. Einst gehörten die schweren Lastwagen und Omnibusse aus Plauen zum gewohnten Straßenbild, und das nicht nur in Deutschland.


Heute gibt es nur noch einen überschaubaren Kreis von Liebhabern, der sich am Flair der wuchtigen Nutzfahrzeuge erfreut und die Hintergründe dieser Marke kennt. Ob es nun daran liegt, dass die Plauener Lastwagenfabrik als einzige deutsche Marke den alliierten Beschlüssen zum Opfer fiel und ihre Geschichte fortan in der Heimat totgeschwiegen wurde oder ob es die letzten Lastwagen waren, die noch 1991, also fünfzig Jahre nach Kriegsende, sich im Vogtland im Einsatz befanden ? Oder liegt es schlicht und ergreifend daran, dass die Produkte aus Plauen nicht nur so kraftvoll aussahen, sondern diesem Eindruck auch standhielten ? Es bleibt Spekulation.

Fakt ist, dass die Vogtländische Maschinenfabrik A.-G. im Ersten Weltkrieg zu den deutschen Präzisionsbetrieben gehörte, die in der großen Nachfrage an Lastwagen ein zusätzliches Standbein sahen. 1915 begonnen, konnte man schon drei Jahre später den 1000. Regeldreitonner an die deutschen Streitkräfte abliefern. Den Schöpfer der ersten Lastwagen-Generation von VOMAG, Peter Teigland, warb die Direktion von der Berliner NAG ab. Das von Teigland entworfene Programm wurde mit Kriegsende neben dem Dreitonner P 30 um einen Zweitonner P 20 und einen Viereinhalb- bis Fünftonner P 45 erweitert. Mit Beginn der zwanziger Jahre kam auch der Omnibusbau hinzu, wobei es sich zunächst um Aufbauten auf nahezu unveränderte Lastwagen-Fahrgestelle handelte.

Die Karosserien kamen von namhaften Marken wie Trutz, Schumann (Zwickau) oder Kühlstein. Besonders aber bei den Sonderaufbauten lag bereits ein erster Verdienst, den sich VOMAG in der Branche erarbeitete. Die Plauener waren besonders aufgeschlossen und kreativ, wenn es um fortschrittliche Konzepte ging. Erste hydraulische Kipper, einer der ersten Sattelschlepper und eine unüberschaubare Vielfalt von Sonderfahrzeugen wurde bereits Anfang der zwanziger Jahre geboten.

Hatte die erste Lastwagen-Generation von VOMAG trotz steter Verbesserungen immerhin bis Ende der zwanziger Jahre Bestand, war dies ein Zeichen für ihre fortschrittliche Konstruktion und solide Qualität. VOMAG-Wagen galten schon damals als zuverlässig und unverwüstlich, was auch dem Export sehr zuträglich war. Die größten Verdienste erwarb sich die VOMAG in den zwanziger Jahren jedoch durch wegweisende Buskonzepte. Zunächst war es die VOMAG, die schon 1924 zum Niederrahmen-Fahrgestell überging und damit die Entkoppelung des Omnibusses von der Lastwagenkonstruktion einleitete. Die nächste Station bildete 1927 zusammen mit der Sächsischen Waggonfabrik Werdau die Serieneinführung des Ganzstahlomnibusses.

Wesentlich gewagter und letztlich erfolglos blieben darüber hinaus erste Omnibusse mit Vorderrad-Antrieb nach Richard Bussien, die wegen zu hoher Lenkkräfte und fehlende Servounterstützung im Versuchsstadium stecken blieben. Neben der neuen Omnibusgeneration, die Erwin Aders nach dem Tod Teiglands geschaffen hatte, löste auch ein neuer Fünftonner ab 1925 schrittweise die alten Modelle ab. Der Typ 5 Cz wurde zum Standard- und wohl erfolgreichsten Modell der VOMAG. Man baute ihn immerhin bis 1934. Anschließend bot die Konstruktion genug Reserven, um darauf die Entwicklung des neuen Sechseinhalbtonners aufzubauen.

Entscheidend auf die Entwicklung des Plauener Automobilbaus sollte sich das Ringen um die Schaffung dreiachsiger Lastwagen auswirken. Zwar gehörte die VOMAG mit ersten Resultaten 1924 zu den Pionieren, doch vermochte man letztlich nicht gegen die klassische und durch Büssing 1926 patentierte Dreiachs-Konstruktion anzukommen. Büssing war und blieb damit die Nummer eins im Schwerlastwagenbau. 1928 zog die VOMAG dann mit einem eigenen Dreiachser nach, der im Vergleich zu den vorangegangenen Modellen endlich auch über zwei Treibachsen verfügte. Die VOMAG konnte aber den Vorsprung der Braunschweiger nicht mehr aufholen. VOMAG-Dreiachser blieben bis zum Kriegsende so imposant wie rar.

Anfang der dreißiger Jahre stellten sich zudem finanzielle Probleme im Zuge der Weltwirtschaftskrise ein. Mit der Überwindung eines Konkurses durch eine Auffanggesellschaft fehlten die Mittel, sich bei der Durchsetzung des Dieselmotors gegen die Konkurrenz durch ein eigenes Verbrennungsverfahren zu behaupten. Recht spät kam der Ausweg in einer Lizenz der österreichischen Firma Oberhänsli aus Bregenz. Letztlich hatte man damit aber einen Glückgriff getan. Mit der Motorisierung der Nazis wollte auch der Autobau in der VOMAG wieder an Fahrt gewinnen.

Nach Abstinenz im unteren Tonnagesegment gelang es, einen erfolgreichen Schnellastwagen zu etablieren. Neben dem Dreitonner folgten neue Modelle in der gefragten Fünftonnen-Klasse, die ebenfalls über Niederrahmen verfügten. Das Programm wuchs auf viele Zwischen- und Sondermodelle bis hin zu Sattel- und Eilschleppern. Wurde ein Spektrum bis zu neun Tonnen Nutzlast mit den Dreiachsern als Spitzenmodell abgedeckt, fehlte also nur noch ein „Zugpferd“ in der Lücke dazwischen. Diese schloß 1935 der neue Typ 6 LR 653 (= 6 to Nutzlast, Lastwagen, Rohölmotor, 6-Zylinder, 5,30 m Radstand). Er besetzte die sich neu herausbildende Klasse der modernen Fernverkehrszüge. Angetrieben wurden die VOMAG mittlerweile fast ausnahmslos durch Dieselmotore, die es in einer leichten und einer schweren Baureihe gab. Das Leistungsspektrum reichte bei den Vier- und Sechszylindern von 85 bis 160 PS.

Auch der Omnibusbau konnte zahlenmäßig ab Mitte der Dreißiger wieder aus dem Keller gefahren werden. Mit dem Typ 5 OR 658 trat ein würdiger Nachfolger der Ende der zwanziger Jahre so erfolgreichen Reihe OM/OV 57 auf den Plan. Mit ihm konnte auch der Hauptkunde, die KVG Sachsen, wieder beliefert werden. Speziell für die Sachsen, Deutschlands größten und modernsten Omnibusbetrieb, gab es 1939 eine kleine Serie dieser Omnibusse, die mit Zwölfzylinder-Maybach-Motoren ausgerüstet wurden. Die eigentlich in Panzern eingebauten Triebwerke sorgten mit ihren 300 PS dafür, dass so mancher Pkw-Fahrer an den steigungsreichen Strecken des Erzgebirges mit offenem Mund zurückblieb.

Die Typenbegrenzungs-Programme der Nationalsozialisten brachten auch für die VOMAG große Einschnitte. Mit Ausnahme eines ab 1940 gebauten Dreitonners 3 LHG mit serienmäßig verbauter Imbert-Holzgasanlage mussten alle übrigen Modelle aufgegeben werden. Im Folgejahr ersetzte diesen Typ dann der größere 4,5 LHG. Dieser ebenfalls mit Imbert-Anlage ausgerüstete Viereinhalbtonner sollte die letzte Neuentwicklung der VOMAG bleiben. Nicht für die Wehrmacht, sondern für den Heimatbedarf fertigte die VOMAG bis Ende 1943 diesen Typ und einen davon abgeleiteten Omnibus 4,5 OHG. Jener entstand nach Plänen des Dr. Deiters, Deutschlands Pionier beim Bau selbsttragender Busse. Fertigte die VOMAG seit jeher ihre Nutzfahrzeuge im Reihenbau, sollte ein 1943 begonnener Neubau Europas modernsten Lastwagenwerkes den Einstieg für Friedenszeiten sichern. Geplant war die Fließbandproduktion eines neuen Sechseinhalbtonners mit 200 PS. Leider aber verlief alles ganz anders. Statt der Lastwagen wurde der Bau von Panzern verordnet, die das Schicksal der VOMAG und seiner Heimatstadt besiegeln sollte. Plauen gehörte mit Kriegsende zu den am meisten zerstörten Städten Deutschlands. Die VOMAG, nur zu 40 % zerstört, hätte im Februar 1946 wieder mit der Fertigung beginnen können, wäre nicht die russischen Besatzer die Demontage und vollständige Sprengung des Werkes befohlen worden. So wurde nicht nur eine erfolgreiche Automobilmarke für immer gelöscht, auch ein unschätzbarer Wert an Know-how ging mit dem verstreuten Personal verloren. Denn, was heute nur die wenigsten noch wissen, schon vor dem Autobau war die Vogtländische Maschinenfabrik A.-G. wesentlich bekannter als weltgrößte Stick- und Europas größte Druckmaschinenfabrik.